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Rose de Sable - Dezember 2006

Reisebericht einer Reise vom 02.-09.12.2006 von Karen Wichert

von Karen Wichert - Rose de Sable

In Norddeutschland ist kein richtiger Winter. Wieder einmal nasskaltes Gruselwetter, und wir beiden Abenteurer freuen uns auf ein paar Tage Sonnenschein in der Sahara. Auf dem Flughafen fällt uns ein, dass wir Leseratten  kein Buch dabei haben. Und in der Wüste werden wir doch viel Zeit haben! Also ab in den Buchladen. Danach suchen wir uns ein Plätzchen und vertiefen uns bis zum Einchecken in den neu erworbenen Lesestoff.

Was hat uns bewogen, in die Wüste zu reisen? Karen war bereits im nördlichen Tunesien. Jetzt wollte sie unbedingt in den Süden, das Gegensätzliche dieses Landes kennen lernen. Nicht im Hotel, sondern in der Natur. Richtig in die Wüste oder zu Hause bleiben. Ebenso erging es Anett. Sie hatte schon lange ein Wüstentrekking im Kopf. Außerdem stachelte beide die Abenteuerlust an. 
Am Flughafen nahm uns Ridha, der Reiseleiter, in Empfang.  Am nächsten Tag  ging es los  in Richtung  Oasenstadt Douz. Zwischenstopp in Matmata. Dort besichtigten wir kurz eine Höhlenwohnung. Uns zog es aber Richtung Wüste. In Douz angekommen gab es nach einem Abstecher in das Reisebüro Douz Voyages, zum Erhalt des Wüstenstempels, typisches tunesisches Essen. Gut gerüstet mit frisch erworbenen Kopftüchern und jeder Menge Wasser  ging es ab auf die Piste Richtung Wüstencamp Djebil. Schon bald konnten wir wilde Dromedare sehen. Die Landschaft veränderte sich. Erst mehr Steine, aber  nach und nach Sanddünen,  erst kleine, dann größere. 
Unsere Uhren sind längst in den Rucksäcken verstaut – wir wollen uns in dieser Woche nicht um die Zeit scheren.
Bei Sonnenuntergang kamen wir im Wüstencamp an. Unser Zelt war aufgestellt, die „Wüstenküche“ hergerichtet und wir wurden von unseren beiden Chameliers Bechir + Bechir mit starkem Tee begrüßt. Da der eine kochte und der andere für das gebackene Sandbrot zuständig war, nannten wir sie einfach Koch und Bäcker. Jetzt war es endgültig, es gab kein Zurück. Die nächsten Tage würden wir uns auf unsere Füße, die Dromedare als Transportmittel und die drei Männer als Führer verlassen müssen. Wir hatten aber ein gutes Gefühl, freuten uns auf das Leben in und mit dem Rhythmus der Natur, auf das Schlafen im offenen Zelt, das Wüstenessen und die Sanddünen – auf unser Abenteuer. Unser  Essen bestand aus Tomatensuppe, Couscous mit Zwiebeln, Tomaten und Lammfleisch. Es schmeckte ausgezeichnet. Anschließend erklärte uns Rida, wie man Teller und Besteck mit Sand reinigt. Einfach und praktisch, wie alles in der Wüste – wie wir lernen sollten. Die Luft wurde merklich kühler, aber am Feuer war es wohlig warm. Jetzt kramte unser Koch in einer Kiste und holte seine Flöte, die er über dem Feuer wärmte. Dann ging die Musik los.  Ridha nahm eine Kochschüssel aus Metall und benutze sie als Tamtam.  Und was jetzt sehr erstaunlich war, es wurde wieder heller. Wir konnten ja nicht wissen, dass in unserer Wüstenwoche der Vollmond kommt. Also erstmal nichts mit dem viel besagten Sternenhimmel. Die Landschaft sah gespenstisch aus. Die kleinen Sanddünen und Büsche warfen lange Schatten. Mondlandschaft oder noch Erde?  Irgendwie konnten wir in der orientalischen Musik keinen Takt, so wie wir ihn kennen, feststellen.  Alles das machte nichts……………..wir fühlten uns frei und waren voller Erwartungen auf den kommenden Tag. 
Das Mondlicht war so hell, dass wir keine Taschenlampen brauchten. Am Morgen wurden wir vom Geklapper des Geschirrs wach. Der Himmel färbte sich rot und wir wollten den ersten Sonnenaufgang in der Wüste auf keinen Fall verpassen. Den Fotoapparat griffbereit, denn die Sonne geht hier so schnell hoch, man darf die wenigen Minuten einfach nicht verschlafen. Unsere Morgentoilette mit Feuchttücher und Wasserflaschen erledigten wir hinter der nächsten Düne.  Dann gab es einen kräftigen Schluck Alkohol aus dem Flachmann zur Desinfektion des Verdauungssystems. Die Devise hieß: Jeden Morgen die gleiche Prozedur, und wir vertragen alles.  Wir waren froh über den heißen Tee, denn es war recht kalt. Es gab frisch gebackenes Sandbrot, Feigenmarmelade und Schmelzkäseecken. Ohne Hektik begannen die Männer mit dem Aufräumen des Lagerplatzes. Die Dromedare wurden von ihren Futterplätzen geholt und beladen. Die Karawane zog los – das Geheimnis Wüste     begann. 

Mit Tagesrucksack auf dem Rücken, Wasserflasche in der Hand und Kamera um den Hals traten wir in die Spuren der Dromedare. Die Strecke war zum Angewöhnen  nicht schwierig, der Boden fest. Welche Geräusche gab es hier? Der Wind säuselte, Anetts Hose raschelte (zieh’ dir morgen eine andere an, du störst mit deiner Raschelhose die Stille), das gleichmäßige Auftreten der Tiere, die eigenen Schritte im Sand………….
Nach kurzer Zeit wussten wir, die Wüste hat eine außergewöhnlich beruhigende Wirkung, lässt die Hektik der vergangenen Wochen einfach abfallen. Bald  wurden die Sanddünen höher und wir bekamen den ersten Vorgeschmack vom Laufen im losen Sand. Gar nicht so schwierig. Machte Spaß. Wir bekamen von Rida Kekse als Belohnung für gutes Laufen. Inzwischen war es Mittag. Gleich erhielten wir unsere Schlafmatten und konnten uns ausruhen. Schuhe aus und den Sand an die Füße. Das Essen war fertig. Es gab Salat und Sandbrot. Wir wollten jetzt reiten. Anett kannte das schon, für Karen wird das der erste Dromedarritt ihres  Lebens. Gut festhalten vorn und hinten, und schon ist man oben und hat die beste Aussicht. Wir  zogen durch hohe Dünen ohne Vegetation und durch flache Gebiete mit vielen Büschen. Das Licht veränderte sich, die Büsche gaben immer längere Schatten. Bald war eine geeignete Stelle als Übernachtungsplatz gefunden. Die Tiere wurden von ihrer Last befreit und die Wüstenküche   aufgebaut. Und Karen sitzt hier an ihren Rucksack gelehnt und blinzelt mit Notizbuch und Stift in der Hand in die Abendsonne. Diese Erlebnisse muss man einfach aufschreiben, zu viele Einzelheiten gehen sonst zu schnell verloren. 
Es gibt wieder sehr leckeres Essen.  Wir  nehmen eine Portion mehr, müssen immer wieder betonen, wie ausgezeichnet es schmeckt. Sofern der normale Mitteleuropäer nicht nur Geschmacksverstärker angereichertes Fast-Food-Essen zu sich nimmt und damit seine Geschmacksnerven fast abgetötet hat, wird er das Wüstenessen lieben. 
Ridha verspricht uns heute die erste große Düne. Wir sind gespannt und wollen unbedingt laufen. Bald merken wir, dass gestern alles zum Angewöhnen war. Die Dünen sind höher, der Sand ist lose und bald in unseren Schuhen. Aber es ist fantastisch, wir tollen durch die Landschaft wie kleine Kinder, immer darauf bedacht, die Kameras nicht in den Sand fallen zu lassen. Wir entdecken immer wieder ein tolles Fotomotiv.  Bald rasten wir an einem Brunnen.  Die Kamele werden getränkt. Übrigens aus der gleichen Schüssel, wo Beschir nachher wieder das Gemüse wäscht. Keiner kann in der Wüste eine Extrawurst oder besser -schüssel bekommen. 
Die Mittagszeit nutzt Karen zum Schreiben, Anett liest oder genießt einfach die Ruhe. Manchmal reden wir,  können aber auch gut gemeinsam schweigen.  
Ridha will uns jetzt ein Sandspiel zeigen, so wie er es selbst als Wüstenkind gespielt hat. Schön kreativ und ohne zivilisierte Zeit-Totschlag-Geräte. Frische Kamelköttel sehen  aus wie grüne Oliven in groß. Kamelköttel getrocknet werden grau, fest und sind zum Spielen bestens geeignet. Also kleine Kuhlen in den Sand und trockene Kamelköttel hinein. Und schon geht das Wüsten-Solitär-Kamelköttel-Spiel los. Anett spielt mit Ridha und Karen sitzt mit der Kamera davor und kann sich vor Lachen kaum halten. Als es dunkel wird, zeigt uns Ridha am Himmel die Stelle, wo der Mond aufgehen wird. Und richtig, es wird langsam heller und gigantisch steigt der von der Sonne angestrahlte Erdtrabant über den Horizont. In Deutschland ist der Mond plötzlich da, aber aufgehen sehen haben wir  ihn nie. Heute ist Dienstag, 6. Dezember und Vollmond. Jetzt wird der Mond jeden Tag eine Stunde später aufgehen. Am Freitag werden wir dann doch noch den afrikanischen Sternenhimmel erleben. Und was tut ein Wüsteneuropäer eigentlich am Nikolausabend? Viele Varianten vom „Haus vom Nikolaus“ zeigen. Wir meinen, dass Rida es seinen Kindern erklären sollte. 

Mitte der Woche laufen wir Richtung Salzsee, auch Schott genannt. Wir merken bald, dass die Steine weißer sind, also salzhaltig, und auf unserer Haut kleine Salzkristalle glitzern. Hier  sind viele Autospuren, aber andere Touristen begegnen uns glücklicherweise nicht. Wir finden Sandrosen. Taschenmesser aufgeklappt, zwei Wasserflaschen durchschneiden und den wertvollen Inhalt einpacken. Flaschen zusammenstecken und schon können wir die empfindlichen Wüstenblumen problemlos transportieren. Zu Hause wird geteilt.
Am letzten Tag erreichen wir abends eine kleine Oase, von weitem als grüne Fläche erkennbar. Bevor wir dort ankommen, wird der Himmel immer dunkler, färbt sich fast schwarz. In Deutschland würde man auf ein sofort einsetzendes Unwetter schließen. Schauen unsere Begleiter etwa besorgt zu den Wolken? Wir  bilden uns das vielleicht ein auf unseren Dromedar-Hochsitzen.  Es fallen tatsächlich ein paar spärliche Regentropfen, so dass der Sand wie gesprenkelt aussieht. Aber die Abendsonne setzt sich durch. Wir erleben einen grandiosen Sonnenuntergang. 
Am nächsten Morgen nach dem Frühstück werden wir abgeholt. Wir fahren noch durch ein paar Sanddünen, dann verändert sich die Landschaft. Vorbei an einer Dattelpalmenplantage, wo gerade geerntet wird. Bei Douz-Voyage registriert man unsere Rückkehr.  Hier gibt es nach Tagen  wieder einen Spiegel. Wir erkennen uns noch! Im Hotel angekommen sind wir jetzt doch dankbar für die Dusche. 

Bleibende Erinnerungen begleiten unsere Rückreise. Unser Zelt stand immer mit der Öffnung nach Osten, so konnten wir im Schlafsack den Sonnenaufgang genießen. Außerdem war es nachts Skarabäuskäfer-Krabbel-Gebiet. Spuren, ähnlich wie verschieden große Reißverschlüsse, zogen sich durch den Sand. Wir haben noch ein besonderes Souvenir: die leckeren Wüstenessen-Rezepte. Sie werden zu Hause unseren Speiseplan bereichern.
Wir haben so viel in dieser Woche erlebt, dass wir noch einige Seiten schreiben könnten. Algerische Nomaden sind uns begegnet, Mäuse und Echsen bekamen wir zu sehen, Tierspuren ........................mehr wird an dieser Stelle nicht verraten. Haben wir Sie neugierig gemacht, liebe Leser? Probieren Sie doch einfach selbst die Wüste als nächstes Urlaubsziel.
Der Hamburger Flughafen katapultiert uns nun gnadenlos vom Leben in Zeitlupe in die Wirklichkeit zurück. Gegensatz pur und WvW – Wüstenfrauen vorm Weihnachtsbaum. Deutschland hat uns wieder!